Creator:G. Jander and G. Winkler Date Created:April 24, 1958 Place Created:Berlin, Germany Keywords:molybdenum electrodes,molten acetamine Context:article from Journal of Nuclear Chemistry ************************************************** j/.J.-J+sJC J. Inorg. Nucl. Chem., 1959, Vol. 9, pp. 32 to 38. Pcrgamon Press Ltd. Printed in Northern Ireland ACETAMID ALS NICHTWASSRIGES IONISIERENDES LOSUNGSMITTEL—II EMK.-MESSUNGEN UND POTENTIOMETRISCHE TITRATIONEN IN GESCHMOLZENEM ACETAMID'1' G. Jander und G. Winkler Aus dem Anorganisch-chemischen Institut der Technischen Universitat Berlin, Berlin, Germany (Received 24 April 1958) Abstract—With a special type of molybdenum electrode ("gebremste Elektrode") acting like a hydrogen electrode reactions in molten acetamide analogous to neutralizations were followed by potentiometric titrations. An estimation of the ionic product of the pure solvent based on e.m.f.-measurements at 94°C gives a value P = 3.2 • 10"11. Both the e.m.f.-measurements and the potentiometric titrations prove the proposed mechanism of self-dissociation of the pure solvent. In einer vorausgegangenen Mitteilung(1) haben wir iiber das allgemeine Verhalten des geschmolzenen Acetamid als nichtwassriges ionisierendes Losungsmittel, sowie iiber die konduktometrische Verfolgung von Neutralisationsreaktionen und Amphoterieerscheinungen berichtet. Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit EMK-Messungen und potentiometrischen Titrationen, die weitere Aufschliisse iiber das Verhalten des Acetamid als Losungsmittel geben. In dem protonenhaltigen Solvens Acetamid sollten unter Umstanden die gleichen Elektrodenkombinationen zur Bestimmung der H+-Konzentration verwendbar sein wie in Wasser (zur Vereinfachung der Schreibweise steht in alien Fallen [H+] an Stelle der Konzentration des solvatisierten Protons [H+-jcCH3CONH2]). Es zeigte sich jedoch, dass dies aus zwei Griinden nicht moglich ist. Einmal lasst sich eine Wasserstoffelektrode nicht verwenden, da die platinierte Elektro-denoberflache bei der Messtemperatur 94° nach kurzer Zeit inaktiv wird und infolgedessen die anfangs dem Logarithmus der H+-Konzentrationsanderung propor-tionalen EMK-Werte rasch abfallen. Zum anderen sind die in Frage kommenden Vergleichselektroden in Acetamid unbiauchbar [vgl. dazu<2)]; Hg2Cl2 zersetzt sich in Acetamid unter Schwarzfarbung (Disproportionierung) und Silber/Silber-halogenidelektroden scheiden aus, weil die Silberhalogenide im alkalischen Gebiet unter Komplexbildung teilweise loslich sind. Es wurde deshalb die Methode der gebremsten Elektrode mit praktisch ver-hinderter Diffusion nach Muller(3) angewendet, bei der Indikator- und Vergleichs-elektrode aus dem gleichen Elektrodenmaterial bestehen und durch eine Kapillare getrennt sind. Im Raum der Vergleichselektrode (gebremsten Elektrode) kann also eine gegebene Anfangskonzentration iiber relativ lange Zeit aufrechterhalten werden, wahrend im Raum der Indikatorelektrode durch Reagenszusatz die Konzentration des zu bestimmenden Ions, in diesem Falle die H+-Konzentration, fortwahrend verandert wird. £ + 350 + 300 + 250 +350 + 300 + 250 Uj +350 + 300 + 250 Abb. 2.-—Ermittlung des Ionenproduktes von reinem Acetamid durch EMK-Messung. der Indikatorelektrode gestattet nach Gleichung (1) die Ermittlung der H+-Konzen-tration [H0+] des reinen Losungsmittels. *=Ar.i„g|t> (D 141 H. Brintzinger und B. Rost, Z. Anal. Chem. 120, 161 (1940). (6' E. S. El Wakkad, H. A. Rizk und J. G. Ebaid, J. Physik. Chem. 59, 1004 (1955). Acetamid als nichtwassriges ionisierendes Losungsmittel—II 35 Setzt man nach den Ergebnissen der Leitfahigkeitsmessungen'6' voraus, dass die zu den EMK-Messungen benutzten Sauren HC1 und HBr vollstandig dissoziiert sind (HC104 und HNOs wurden wegen evtl. oxydativer Einwirkung auf das Elektroden-material nicht verwendet), kann man bei bekanntem A£" den Wert fur [H0+] berechnen. Wegen der betrachtlichen Schwankungen in den A£"~Werten wurden drei Messreihen mit HC1 und HBr bei 94° durchgefiihrt, fiir welche die zugehorigen A£"-Werte aus der jeweiligen Geraden graphisch entnommen wurden (Abb. 2; auf der Ordinate ist die gemessene EMK, auf der Abszisse der negative Logarithmus der H+-Konzentration im Raum der Indikatorelektrode aufgetragen). Fiir den negativen Logarithmus der H+-Konzentration des reinen Losungsmittels ergaben sich die Werte —log [H0+] = 5,52, 5,37 und 5,47; das entspricht einem Ionenprodukt P9i = [H+]-[CH3CONH"] von 0,9 • 10~u, 1,8 • 10"11 und 1,1 • 10"u; Mittelwert der drei Bestimmungen P = 1,3 • 10-11. Durch die Bestimmung der Eichkonstanten A£" fiir jede einzelne Messreihe wird zwar die Unsicherheit in dem Mittelwert AE' ausgeschaltet, es bleiben aber zwei weitere mogliche Fehlerquellen, die nicht eliminiert werden konnen. Das ist einmal das an der Phasengrenzfliiche zwischen den beiden verschieden konzentrierten Losungen vorhandene Diffusionspotential und zum anderen die evtl. Verander-lichkeit des als konstant angesetzten "Nullpotentials" (vgl. Messmethodik). Aus diesem Grunde konnen die Werte fiir —log [H0+] nicht mit der Sicherheit bestimmt werden, die fiir eine angemessene Genauigkeit in P zu wiinschen ware. Der erhaltene Wert P = 1,3 • 10~u bedeutet also lediglich eine grossenordnungsmassige Abschat-zung der Eigendissoziation des geschmolzenen Acetamid. 2. POTENTIOMETRISCHE NEUTRALISATIONSTITRATIONEN Zur Kontrolle der vorstehenden Ergebnisse wurden drei potentiometrische Saure-Basen-Titrationen bei 94° durchgefiihrt—K[CH3CONH] mit HBr, HC1 mit Na[CH3CONH] und K[CH3CONH] mit HC1,—(Kurvenverlauf wie in Abb.3)—und daraus, wiederum nach Ermittlung der Eichkonstanten AE' aus der jeweiligen Tabelle 1 Titration c [Mol/kg] AE' [mV] A E [mV] P ■ 1011 von mit K[CH3CONH] HBr 0,075 103,6 676,3 3,0 HC1 Na[CH3CONH] 0,092 99,9 647,8 3,3 K[CH3CONH] HC1 0,129 98,2 638,3 3,2 Mittelwert: 3,2 Messung (wegen der grosseren Genauigkeit wurde AE' im sauren Teil der Titrations-kurve bestimmt), fiir den Konzentrationsbereich 0,01 n sauer bis 0,01 n alkalisch aus der Hohe des Potentialsprunges AE das Ionenprodukt P bestimmt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Hinsichtlich der Genauigkeit der Bestimmung gilt natiirlich auch in diesem Falle das vorstehend Gesagte. ••> 3. Mitt.: G. Jander und G. Winkler, /. Inorg. Nucl. Chem. 9, 39 (1959). 36 G. Jander und G. Winkler Es besteht also grossenordnungsmassig Ubereinstimmung zwischen den beiden auf potentiometrischem Wege unabhangig voneinander bestimmten Werten des Ionenproduktes fiir das reine Acetamid. Es ist noch zu diskutieren, welchem der beiden Werte P = 1,3 • 10 ~u bzw. P = 3,2 • 10-11 ein hoherer Grad von Wahrschein-lichkeit zukommt. Da iiber den Charakter der "letzten Verunreinigungen" in reinstem Acetamid nichts ausgesagt werden kann und die Moglichkeit besteht, dass es sich um Yerbindungen schwach sauren oder basischen Charakters handelt, erscheinen uns die nach der ersten Methode erhaltenen Werte unsicherer. Es ist deshalb der Wert aus den Saure-Basen-Titrationen P = 3,2 • 10-11 vorzuziehen, da in diesem Falle die geringe Konzentration der Verunreinigungen keine Rolle spielt. E + 400 +300 Uj +200 + 100 Vorgelegt Hg [CH3 CONH]2+ [N(C2H5)4] Titniert mit HC104 jP j 1-0 2-0 3-0 Molverhaltnis HCI04' Hg [CH3 CONH]2-- Abb. 3.—Potentiometrische Titration des durch doppelte Umsetzung aus Hg[CH3CONH]2 und [N(C2H5)4]J in Losung erhaltenen Tetraathylammoniumacetamid mit HC104. Losungsmitteljcorr. vorgelegt aquiv. Menge 11,0 g 61,8 mg Hg-Acetamid -f 647 mg [N(C2H5)4]J 85,4 mg 2CH3C0NH2-HC104 Es soli an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, dass man aus dem niedrigsten Wert der spezifischen Leitfahigkeit des reinen Acetamid (k094 2,6 • 10~6) die maximale Grosse des Ionenproduktes abschatzen karm. Unter Voraussetzung der Giiltigkeit des Kohlrausch-Gesetzes von der unabhangigen Ionenwanderung lasst sich aus den Grenzleitfahigkeiten geeignet ausgewahlter starker Elektrolyte—im vorliegenden Fall wurden Pikrinsaure, Na-Pikrat und Na-Acetamid verwendet161—die hypothetische Grenzleitfahigkeit fiir vollstandig dissoziiertes Acetamid berechnen [Gleichrmg (2)] und aus dem tatsachlich gemessenen K0-Wert die Konzentration an dissoziiert vorliegendem Acetamid c,- nach Gleichung (3) bestimmen. Ap+][ch3c0nh-] = AhPi + ANa[oh3conh] — AnaPi = 36,65 (2) 1000 • k0 c^ = --?- = 7,1 • 10-5 (3) A[h+][oh3cokh-] Aus dem gefundenen Cj-Wert wurde sich das Ionenprodukt zu P94 = 5,0 • 10~9 ergeben. Die Methode kann natiirlich nur zur Abschatzung einer oberen Grenze des Ionenproduktes verwendet Werden, da bei ihr vorausgesetzt ist, dass die Restleitfahigkeit nur durch die Eigendissoziation des Losungsmittels hervorgerufen wird, was zweifelsohne nicht der Fall ist. Acetamid als nichtwassriges ionisierendes Losungsmittel—II 37 In Abb. 3 ist zur Erganzung der konduktometrischen Titrationskurvea) die potentiometrische Titration des durch doppelte Umsetzung aus Hg[CH3CONH]2 und [N(C2H5)4]J dargestellten Tetraathylammoniumacetamid mit HC104 wieder-gegeben. Die Form der Titrationskurve ist charakteristisch fiir alle potentiometrischen Saure-Basen-Titrationen in geschmolzenem Acetamid; die Potentialspriinge am Aquivalenzpunkt betragen zwischen 300 und 600 mV. Ausser der potentiometrischen Titration starker Sauren mit starken Basen und umgekehrt lassen sich auch verschieden starke Sauren, deren Dissoziationskonstanten weit genug auseinander liegen, auf potentiometrischem Wege im Gemisch nebenein-ander bestimmen. Abb. 4 zeigt als Beispiel die potentiometrische Titration eines > £ -600 -400 -200 100 200 300 Na(CH3CONH] --mg Abb. 4.—Potentiometrische Stufentitration verschieden starker Sauren mit Na-Acetamid. vorgelegt: 208,5 mg 2CH3CONH„HBr = 84,9 mg Na[CH3CONH] 152,0 mg C6H5COOH = 101,2 mg Na[CH3CONH] 111,5 mg (CH3CO)2NH = 89,5 Na[CH3CONH] 1. Stufe 84,9 mg Na[CH3CONH] 2. Stufe 186,1 mg Na[CH3CONH] 3. Stufe 275,6 mg Na[CH3CONH] Gemisches der starken Saure 2CH3CONH3-HBr, der schwachen Benzoesaure und des als sehr schwache Saure fungierenden Diacetamid (CH3CO)aNH(7) mit Na[CH3CONH], Die beiden Potentialspriinge am Aquivalenzpunkt von HBr und Benzoesaure sind gut ausgebildet, wahrend der letzte Potentialsprung infolge der starken Solvolyse des entstandenen Na-Diacetamid nur wenig ausgepragt ist. Die Ergebnisse dieser EMK-Messungen und potentiometrischen Titrationen beweisen das fiir das geschmolzene Acetamid im Hinblick auf seine amphiprotischen Eigen-schaften angenommene Eigendissoziationsschema.(1) Es sei noch erwahnt, dass die fiir potentiometrische Titrationen verwendeten Alkaliacetamide(1) besonders rein sein miissen und keinesfalls infolge partieller Hydrolyse Alkaliacetat enthalten diirfen, da sonst zwei Potentialspriinge, einmal fiir die vorgelegte starke Saure und zum anderen fiir die aus dem verunreinigten Alkali-acetamid in Freiheit gesetzte Essigsaure, auftreten konnen (vgl. ahnliche Beobach-tungen bei potentiometrischen Saure-Basen-Titrationen in Butanol(8)). <" B. Gruttner, Z. Anorg. Chem. 270, 223 (1952). <8' L. A. Wooten und A. E. Ruhle, Analyt. Chem. 6, 449 (1934). 38 G. Jander und G. Winkler 3. MESSMETHODIK Die EMK-Messungen wurden bei 94,0° (Hoeppler-Ultrathermostat mit Glycerin-fiillung; Gebr. Haake, Berlin) mit einern PMlips-pH-Messgerat GM 4491 durchgefiihrt. Die Spannung wird bei diesem Gerat, auch ausserhalb des Kompensationsgleichgewichtes, vollig stromlos gemessen, d.h. es kann weder eine Elektrodenpolarisation noch eine Stromentnahme aus dem Normalelement ausserhalb des Kompensationsgleichgewichtes eintreten. Die Anzeige erfolgt tragheitslos mittels eines Elektronenstrahlindikators, der Messbereich erstreckt sich von 0-1415 mV, die Messgenauigkeit betragt ±1 mV + 0,2% der gemessenen Spannung. Die Angabe + oder — bezieht sich auf die Polaritat der Indikatorelektrode gegeniiber der Vergleichselektrode (gebremste Elektrode); die Vergleichselektrode ist iiber das Gerat geerdet. Vor Beginn jeder Messung wird die Kapillare durch Offnen des Quetschhahn-verschlusses mit der Ausgangslosung bis zu einer bestimmten Eichmarke gefiillt und die im Raum der Indikatorelektrode befindliche Losungsmenge um das ent-sprechende Kapillarvolumen korrigiert. Dann wird ca. 2 Stunden gewartet, bis sich das zwischen den beiden in die gleiche Losung eintauchenden Elektroden vorhandene "Nullpotential", das wahrscheinlich durch Diffusionseffekte hervorgerufen wird, nicht mehr verandert. Das Nullpotential ist im allgemeinen von der Grossenordnung 5-40 mV, bei alkalischen Losungen treten jedoch Potentialdifferenzen bis zu 200 mV auf. Unter der Yoraussetzung, dass sich dieses Potential wahrend der Messung nicht andert, sind alle angegebenen Potentialwerte um das jeweils gemessene Nullpotential korrigiert. Die verwendete Kapillare war so dimensioniert (Lange ~50 mm, Durchmesser 0,3 mm), dass ein Poteintialzusammenbruch infolge eines partiellen Konzentrations-ausgleiches zwischen den beiden Elektrodenraumen durch Diffusion friihestens nach 8-10 Stunden eintrat. Nach jeder Reagenszugabe wurde nach Umschiitteln 20-30 Minuten bis zur konstanten Potentialeinstellung gewartet. Die Darstellung der verwendeten sauren— und basenanalogen Verbinungen wurde bereits in der 1. Mitteilung beschrieben.(1) Die Durchfiihrung der vorliegenden Arbeit wurde durch Gewahrung von ERP-Mitteln in grossziigiger Weise gefordert, wofiir wir an dieser Stelle danken.